Samstag, 3. März 2018

Ausgewählte Literatur zum Thema "Inzidenz der Uterustumore bei Kaninchen"

Wenn es um die Häufigkeit von Uterustumoren bei Kaninchen geht, werden in Fachbeiträgen zu diesem Thema natürlich auch sehr viele Quellen angeführt. Nicht selten stehen hinter einer einzigen Aussage eine Unmenge von Quellenangaben, die diese Aussage stützen sollen. Der aktuellste Fachbeitrag zum Thema "Uterustumore", den ich gefunden habe, stammt von Bertram und Kollegen aus dem Jahr 2017. Dort wird in den ersten beiden Sätzen folgendes festgestellt:

"Many studies investigated genital tract disorders in rabbits. However, most investigations focus on uterine disorders because they are one of the most common findings in intact female rabbits [8, 18, 19, 24, 27, 28]." (Bertram et al., 2017)

Uterustumore sind demnach die häufigsten Befunde bei intakten, weiblichen Kaninchen. Belegt werden soll diese Aussage mit der Angabe von sechs Quellen, die als Studien bezeichnet werden. Das sind in der angeführten Reihenfolge die folgenden: Fuchs-Baumgartinger et al., 2009; Künzel et al., 2015; Lode et al., 2003; Saito et al., 2002; Streicher & Hach, 2006; Walter et al., 2010 (siehe Quellenverzeichnis am Ende dieses Artikels).

Ich fange mal mit der ersten aufgeführten Quelle an - einer Studie von Fuchs-Baumgartinger et al. aus dem Jahr 2009. Dort findet sich folgende Aussage:

"Während Uterusneoplasien bei den anderen Haustieren selten vorkommen (ACLAND, 2001; WEISS, 2007) nahm bereits GREENE (1941) an, dass Tumoren der Uterusschleimhaut die häufigste Neoplasie beim Laborkaninchen ausmachen. Auch in der neueren Literatur wird das Adenokarzinom des Endometriums als die am häufigsten auftretende spontane Neoplasie des Kaninchens angeführt (HARKNESS u. WAGNER, 1995; BÜRGELT, 1997; JONES et al., 1997; WILLIAMS, 1998; HARCOURT-BROWN, 2002; HRAPKIEWICZ u. MEDINA, 2007). Diese Autoren beziehen sich dabei meist auf einige ausführliche, jedoch schon länger zurückliegende Untersuchungen an Laborkaninchen (STILLING, 1913; GREENE u. SAXTON, 1938; GREENE, 1941; GREENE, 1959; INGALLS et al., 1964; BABA u. HAAM, 1972). Entsprechende aktuellere Studien an Heimtierkaninchen wurden von SAITO et al. (2002) und STREICHER u. HACH (2006) durchgeführt." (Fuchs-Baumgartinger et al., 2009). In ihrer eigenen Arbeit wurden über einen Zeitraum von 20 Jahren (1987-2007) bei 1412 von 1303 (10,8%) weiblichen Kaninchen, die am "Institut für Pathologie und Gerichtliche Veterinärmedizin der Veterinärmedizinischen Universität Wien" vorgestellt wurden, eine Uterusveränderung nachgewiesen.

Als Beleg werden einige Quellen aufgeführt, zu denen aber einschränkend festgestellt wird, dass sie sich auf ältere Quellen beziehen würden, deren Ergebnisse aus Untersuchungen an Laborkaninchen beruhen würden. Die "aktuellere" Studie von Saito et al., 2002 ist nichts weiter als eine Auswertung der Daten von 47 Kaninchen, die an einer Klinik vorgestellt wurden. Die zweite, "aktuellere" Studie von Streicher & Hach, 2006 stellt ebenfalls eine Auswertung der Daten von 28 Kaninchen einer Tierärztlichen Klinik dar.

An dieser Stelle lasse ich jetzt mal den Hauptautor C. F. Bertram des Beitrags aus dem Jahr 2017 für mich sprechen, der eine interessante und sehr wichtige Feststellung für die eigene Studie traf: 

"Limitations of the current study include the fact that only a small number of animals were available for retrospective analysis. Furthermore, the authors were not able to assess the total number of rabbits that were presented to the small animal clinic during the observation period. Therefore, it is difficult to determine the true prevalence of ovarian disorders." (Hervorhebung A. R.)

Weil nur wenige Tiere zur Verfügung standen und die Gesamtzahl der vorgestellten Kaninchen im Untersuchungszeitraum nicht bekannt war, sei es schwierig, die tatsächliche Häufigkeit von Eierstockerkrankungen festzustellen. Hinzufügen möchte ich an der Stelle, dass außerdem keine Aussage über alle weiblichen Kaninchen (also auch gesunde, die nicht in der Klinik vorgestellt wurden) im fraglichen Zeitraum und Untersuchungsgebiet getroffen werden kann. Das bedeutet, dass solche Ergebnisse immer nur für für diese Klinik, für diesen Zeitraum, für diese Anzahl an ausgesuchten Kaninchen gelten, aber keine allgemeingültige Aussage für Häufigkeiten bestimmter Erkrankungen bei weiblichen Kaninchen getroffen werden kann. Deshalb gibt es auch keine "aktuelle Studie", die eine solche Aussage treffen könnte. Stattdessen werden gern ältere Veröffentlichungen genutzt, um die Behauptung der besonderen Anfälligkeit weiblicher Kaninchen für Uterustumore zu stützen. Ausdrücklich sei vermerkt, dass solche Erkrankungen an sich nicht bestritten werden, sondern deren Häufigkeit. Wenn Kaninchen häufiger in bestimmten Haltungen Uterustumore aufweisen, hat das auch ganz bestimmte Gründe, die zum einen in der Genetik und zum anderen in der Haltung sowie Ernährung zu suchen sind, aber nicht beim Tier an sich. Im folgenden werde ich auf die am häufigsten zitierten Veröffentlichungen eingehen, die zum Teil völlig sinnfrei für eine scheinbare Bestätigung einer Häufigkeit angeführt werden.

Kommen wir zurück zu den Studien, und zwar den älteren, die quasi per "copy & paste" als Argumenteverstärker Eingang in sehr viele Arbeiten finden. Einerseits möchte ich den geneigten Lesern Einblick in das Zustandekommen der Ergebnisse daraus geben und andererseits vielleicht mitlesenden Studenten oder Fachautoren die Möglichkeit bieten, die Sinnhaftigkeit einer beabsichtigten Zitierung zu prüfen.

Stilling & Beitzke, 1919

Nach dem Tod des Pathologen und Hochschullehrers Heinrich Stilling veröffentlichte Beitzke nach  hinterlassenen Präparaten und Notizen von Stilling einen Beitrag über Uterustumore bei Kaninchen. Diese  Form der Tumore wurden als selten vorkommende Geschwülste bezeichnet, weshalb Stilling über Jahre nur etwa ein Dutzend sammeln konnte, um seine Erkenntnisse darüber als eine ganze, abgeschlossene Studie vorstellen zu können. Die Tiere stammten aus der eigenen Zucht am Pathologischen Institut in Lausanne, womit Stilling beste Kenntnisse über die Herkunft, Haltungsumstände und den Zustand der Tiere hatte. 

Bild 1: Auszug aus Stilling & Beitzke, 1913


Es wurden 13 Kaninchen mit insgesamt 30 Tumoren untersucht, die über mehrere Jahre gesammelt wurden. Das jüngste Tier in diesen Untersuchungen war 4 Jahre alt, das älteste 7 Jahre. Überwiegend bewegte sich das Alter bei einer Tumorerkrankung zwischen 5 - 6 Jahre. Als Ergebnis wurde  u. a. eine familiäre Disposition festgestellt, da die meisten der betroffenen Tiere aus gleichen Würfen stammten. Beitzke benutzt sogar den Begriff einer “Tumorrasse”. Außerdem wurden mit den Kaninchen "Impfversuche", welcher Art auch immer, angestellt. Histologisch ließen sich die 30 Tumore in  4 Gruppen einteilen: Myome, Adenomyom, Adenome und Adenokarzinome. Das Auftreten der Tumore hatte  nichts mit der Funktion des Uterus zu tun, denn sie traten bei Häsinnen auf, die oft, selten oder die nie  in ihrem Leben Nachwuchs hatten.

Fazit: möchte man argumentieren, dass Uterustumore bei Kaninchen sehr selten vorkommen, wäre die Veröffentlichung von Stilling & Beitzke, 1919 der beste Argumenteverstärker. Wer darauf verweisen möchte, dass Kaninchen häufig Uterustumore entwickeln, lässt besser die Hände von dieser Arbeit.

Polson, 1927

1927 wurde von Cyril J. Polson eine Arbeit veröffentlicht, die auf Daten von ca. 1100 Tiere zurückgriff. Bei dreizehn dieser Tiere wurde ein Tumor festgestellt (1,2%).

Bild 2: Auszug aus Polson, 1927


Fazit: möchte man argumentieren, dass Uterustumore bei Kaninchen selten vorkommen, wäre die Veröffentlichung von Polson, 1927 der beste Argumenteverstärker. Wer darauf verweisen möchte, dass Kaninchen häufig Uterustumore entwickeln, lässt besser die Hände von dieser Arbeit.


Burrows & Boyland, 1938; Burrows, 1940

Im Zusammenhang mit Uterus-Tumoren des Kaninchens wird oft eine Veröffentlichung von (Burrows,  1940) erwähnt. Dort wiederum findet sich ein Verweis auf eine frühere Arbeit von (Burrows, et al., 1938)  zum gleichen Thema, die 1940 quasi weitergeführt wurde. Der Verweis bezieht sich auf das ursprüngliche  Ziel der Arbeit und der daraus folgenden Behandlung der Kaninchen während des Untersuchungszeitraumes: ihnen wurde auf verschiedene Wiesen kanzerogene Substanzen verabreicht,  um ihre Empfänglichkeit für die Entwicklung von Tumoren zu testen. Einigen wurde 1,2,5,6-Dibenzanthrazen in Venen gespritzt - eine kanzerogene (krebsauslösende) Substanz, die zum Beispiel  auch in Zigarettenqualm vorkommt. Anderen wurde der Stoff in die Nasenlöcher gespritzt und zusätzlich  ein, mit Chloroform getränkter, Wattebausch zwischen den Schulterblättern platziert. Weitere Präparationen der Tiere bestanden in der Applikation von Nickel- und Siliziumpuder in die Nasenlöcher und in dem  Bestrahlen der Leistengegend mit Röntgenstrahlen. Diese „Behandlungen“ erfolgten bis zum Tod der Tiere teilweise mehrmals wöchentlich (Burrows, et al., 1938). 

Bild 3: Auszug aus Burrows & Boyland, 1938


Als Ergebnis wurde festgestellt, dass 8 von 16 Tieren (50%) frühestens 2,7 Jahre nach der ersten Verabreichung krebserregender Substanzen einen Uterustumore aufwiesen und 1 Tier von 5 (20%), die nicht mit, nach damaliger Kenntnis, kanzerogenen Stoffen behandelt wurden. 2 dieser Kaninchen mussten aber zum Beispiel über längere Zeit Nickeldämpfe einatmen (die sind nach heutigen Kenntnissen kanzerogen, also krebserregend). Eines der so behandelten "Kontrolltiere" Tiere wies nach dem Tod Uterustumore auf.

Bild 4: Auszug aus Burrows & Boyland, 1938



Die Ergebnisse der zweiten Veröffentlichung von Burrows, 1940 ergaben nun bei 15 von 25 Kaninchen (66%) Adenome (gutartig)   und/oder Adenokarzinome (bösartig). Von 10 Kaninchen, die kein Dibenzanthrazen erhielten, dafür aber den anderen, beschriebenen „Behandlungen“ ausgesetzt wurden, entwickelten 5 (50%) Adenome und/oder  Adenokarzinome (Burrows, 1940). In der Arbeit wurde den Tieren zum  Beispiel das Dibenzanthrazen direkt in die Brustdrüsen gespritzt und es ist eher überraschend, dass nicht  eines dieser Tiere (von insgesamt 12) einen Krebs an der Säugeleiste entwickelte.

Fazit: wer sich gern lächerlich machen möchte, kann als Beleg für die natürliche Inzidenz von Uterustumoren die zwei Artikel von Burrows benutzen. In diesen wurde die Tiere mit kanzerogenen (krebserregenden) Stoffen behandelt, um Kreb auszulösen. Wer lieber seriös arbeitet, sollte in diesem Zusammenhang das Zitieren dieser beiden Arbeiten unterlassen.

Greene, (1938 - 1959)

Die mit Abstand am häufigsten zitierten Arbeiten zum Thema Uterustumore stammen aus den Jahren 1938-1959 von dem Amerikaner H. S. N. Greene über Daten aus einer Kolonie von Laborkaninchen. Über zwei Jahrzehnte wurden im Laboratorium des „Rockefeller Institute for Medical Research“ in New York und in Princeton Kaninchen für verschiedene Versuchszwecke gehalten. Anfangs wurden viele Kaninchen selbst gezüchtet, später aber zugekauft. In den Jahren 1930-1934 wurde der Kaninchenbestand u. a. durch 3 seuchenhafte Ausbrüche von „Kaninchen-Pocken“ dezimiert und wieder  neu aufgestockt, auch mit Nachwuchs von Tieren, die während der Epidemien trächtig waren oder Jungtiere  aufzogen. Der gesamte Tierbestand betrug während der Aufzucht von Jungtieren bis zu 1700 Tiere. Die Zusammensetzung der Population in Bezug auf Rassen und deren Kreuzungen wurde in einem Artikel geliefert, der bereits 1935 im Zusammenhang mit Kaninchenpocken erstellt wurde.  

1. Greene, 1938
Im Jahr 1938 veröffentlichte Greene eine Arbeit, die sich mit rätselhaften, seuchenartigen Ausbrüchen von Toxikämie beschäftigte. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine Blutvergiftung während oder nach der Trächtigkeit oder bei Scheinträchtigkeit. Im Rahmen dieser Arbeit wurde auch festgestellt, dass diese Erkrankungen auch Auswirkungen auf die Häufigkeit von Uterustumore hatte.

Bild 5: Auszug aus Greene, 1938

 
Wurden bis dato 3-4 Uterustumore diagnostiziert, stieg die Inzidenz auf durchschnittlich 40 während Perioden des Ausbruchs von Toxikämie im Zeitraum von 11/1935-12/1936. Die Gesamtzahl der Häsinnen betrug 650. Das heißt, die festgestellte Inzidenz für Uterustumore von ursprünglich 0,6% auf 6,2%.

In der Zusammenfassung wurde u. a. festgestellt, dass die Ursachen einerseits in endokrinen, hauptsächlich aber in den veränderten Umgebungsbedingungen zu finden waren, die auf den Umzug der Kolonie von New York nach Princeton im Herbst des Jahres 1935 zurückzuführen waren.

Bild 6: Auszug aus Greene, 1938


 
Als Zwischenfazit lässt sich also feststellen, dass in einer Population von 650 Häsinnen die Inzidenz für Uterustumore weniger als 1% betrug, die durch Erkrankungen innerhalb eines Jahres auf 6,2% anstieg.

2. Greene & Saxton, 1938
Als eine Zunahme der Tumorerkrankungen festgestellt wurde, veröffentlichten Greene & Saxton 1938 einen Artikel, der sich auf diese konzentrierte. Die Daten stammten nun aus den Jahren 1932-1937. Insgesamt wurden für die Arbeit 83 Fälle von Uterustumoren registriert, die  von 491 Häsinnen stammten (16,9%). Dieser neuerliche Anstieg von Uterustumoren ist darauf zurückzuführen, dass das Jahr 1937 mit einer weiteren Zunahme an Erkrankungen dazugekommen war.

Bild 7: Auszug aus Greene & Saxton, 1938


In diesem Artikel wurde auch auf die Altersverteilung der Tumorerkrankungen eingegangen.

Bild 8: Auszug aus Greene & Saxton, 1938


Zwischenfazit 2: die Inzidenz der Tumorerkrankungen lag demnach im Alter von 4 Jahren bei 44%, im Alter von 5 Jahren bei 25%, für 6 Jahre bei 9% und für 7 Jahre bei 1% und die Gesamtinzidenz der Uterustumore lag nunmehr bei 16,9%.

3. Greene, 1941
Drei Jahre später wurde von Greene ein weiterer Artikel veröffentlicht. In die Auswertung gingen nun die Daten von insgesamt 849 weiblichen Kaninchen ein; bei 142 (16,7%) wurde ein Uterustumor nachgewiesen. Das heißt, die Häufigkeit ist fast gleich geblieben. Da nun aber die Tiere immer früher erkrankten und auch früher starben, erhöhte sich der prozentuale Anteil der erkrankten Tiere in den betroffenen, höheren Altersgruppen dramatisch. Ursachen war, um es noch einmal zu erwähnen, der Umzug der Kolonie 1935 von New York nach Princeton mit den damit verbundenen Änderungen (Stress, Umgebung - insbesondere für die trächtigen Tiere).

In einer Tabelle (Bild 7) wurden die Daten für die Häufigkeit der Tumorerkrankungen nach Altersgruppen dargestellt. Für jede Altersstufe wurden die Tumore erfasst, die in diesem Alter neu auftraten.

Bild 9: Auszug aus Greene, 1941


In der folgenden Tabelle (Bild 8) ist noch einmal die Verteilung der Uterustumore nach Altersgruppen dargestellt. In der Auswertung wurde von Greene zwei "Populationen" gebildet, von denen jede für sich nach der Inzidenz für Uturustumore dargestellt wurden. Die Population bestand aus 14 Reinrassen und zahlreichen Hybridrassen. Einige der Hybridlinien wurden über eine beträchtliche Anzahl von Generationen hinweg ohne Verpaarung mit fremden Tieren (Eintrag von "frischem Blut") getragen. Andere Linien, die hauptsächlich aus einer Kreuzung zweier reiner Rassen stammen, wurden durch wiederholtes Züchten mit einer der Elternlinien erhalten und als "Hybridkonzentrate" bezeichnet. Die Mehrheit der anderen Hybriden bilden F1-, F2- oder Rückkreuzungs-Generationen der verschiedenen Reinrassen, aber eine kleine Zahl repräsentierte mehrere Reinrassen- und Hybridkreuzungen und wurde als "komplexe Polyhybriden" bezeichnet ("Rückkreuzung" bedeutet die Rückverpaarung eines weiblichen Tieres mit seinem Vater oder eines männlichen Tieres mit seiner Mutter). Viele der tumortragenden Tiere waren genetisch miteinander verwandt.

Bild 10: Auszug aus Greene, 1941


Es gibt zwei Auffälligkeiten in dieser Auswertung: zum einen wies die Population aus Reinrassen, bestimmten Zuchtlinien und Kreuzungen zweier reinen Rassen eine niedrigere Inzidenz für Uterustumore auf, zum anderen gab es in dieser Population deutlich mehr Tiere in der Altersgruppe von 5-6 Jahre. Da in diesem Artikel nicht mehr die Jahre mit den entsprechenden Daten angegeben wurden und in den früheren Auswertungen dagegen bei den Jahresangaben die Alterszuordnung fehlte, ist eine entsprechende Zuordnung nicht mehr möglich. In der Auswertung von Greene & Saxton, 1938 (Bild 6) gab es zwar eine Aufteilung der Inzidenz nach dem Alter, aber da waren bereits Tiere und ihr Nachwuchs enthalten, die an Toxikämie erkrankt waren.

Zwischenfazit 3: In dem Artikel von 1941 griff Greene auf eine Datenmenge zurück, die seit 1937 von 491 auf 849 Kaninchen angewachsen war. Das heißt, in dieser Datenmenge "verschwanden" jetzt die 4 Jahre mit einer durchschnittlichen Inzidenz von 1% für alle Tiere der Population. Von den insgesamt 849 Tieren wurde bei 142 Tieren (16,7%) ein Uterustumor diagnostiziert. Die Daten der aus Bild 7 sind im Prinzip die, welche sich bis heute in nahezu allen Zitierungen finden.

4. Greene, 1959
In einem Artikel aus dem Jahr 1959 geht Greene zusammenfassend noch einmal auf die veröffentlichten Ergebnisse aus dem Jahr 1941 ein und widmet sich ansonsten verschiedener Tumorarten sowie deren Entstehung.

Zwischenfazit 4: die Angaben zur Inzidenz von Uterustumoren entsprachen der in dem Artikel aus dem Jahr 1941.

Als Fazit aus den Artikeln von Greene (Punkte 1. bis 4.) zur Häufigkeit (Inzidenz) von Uterustumoren bei Kaninchen ist festzustellen, dass die Ergebnisse in zwei Gruppen eingeteilt werden müssen:
  • 1. Gruppe - Daten bis zum Herbst 1935: diese entsprechen einer Population von Laborkaninchen, die zwar mehrfach durch seuchenhafte Erkrankungen an Kaninchenpocken heimgesucht wurde, welche aber offenbar keinen Einfluss auf die Inzidenz von Uterustumoren hatte. Diese lag bis dahin bei ca. 1%.
  • 2. Gruppe - Daten nach dem Umzug der Population im Herbst 1935 von New York nach Princeton: durch die räumliche Veränderung wurde Toxikämie bei den Laborkaninchen ausgelöst, die trächtig oder scheinträchtig waren bzw. kürzlich Nachwuchs zur Welt gebracht hatten. Dieser Faktor trug zu einem Anstieg der Erkrankung an Uterustumoren auf 6,2% nach einem Jahr und auf 16,7% im weiteren Verlauf bei. Da die Anfälligkeit für die Tumore offensichtlich vererbt wurde, kam es in den Nachfolgegenerationen verschiedener Rassen zu einer erhöhten Sterblichkeit und Inzidenz von Uterustumoren in verschiedenen Altersgruppen.
Ist schon die erste Gruppe der Daten von Laborkaninchen nicht vergleichbar mit Heimkaninchen, so ist es die zweite Gruppe auf keinen Fall mehr. Die Daten, egal welcher Gruppe,  können auch deshalb nicht als eine "natürliche" Inzidenz von Uterustumoren verstanden werden, weil sie an Laborkaninchen erhoben wurden. 

Die festgestellte Inzidenz von Uterustumoren von Greene, 1938 vor dem Herbst 1935 von 1% bestätigte im Prinzip die Auswertung von Polson, 1927 mit einer festgestellten Inzidenz der Uterustumore von 1,2%.

Die amerikanische Tierschutzorganisation "House rabbit society" (HRS) nutzt seit vielen Jahren den Artikel von Greene, 1959 als Beleg dafür, dass weibliche Hauskaninchen häufig an Uterustumoren erkranken würden und bezeichnet ihn als wahrscheinlich besten Nachweis für diese Behauptung ("perhaps the best article"). Wenn es so ist, stellt sich die Frage, warum man die Zusammenhänge mit den Toxikämierekrankungen nicht erwähnt, denn die werden in diesem Artikel noch einmal sehr gut erläutert und es wird auch explizit auf die früheren Artikel von H. S. N. Greene verwiesen.Wenn man sich aber mit den Zielen der HRS beschäftigt, versteht man auch, warum man bestimmte Informationen weglässt. Würde man sachlich alle Informationen erwähnen, wäre der Artikel nämlich das, was er tatsächlich ist - wertlos für die versuchte Darstellung der natürlichen Inzidenz von Uterustumoren bei Kaninchen.

Ingalls et al., 1964

1964 stellte Theodore H. Ingalls mit weiteren Autoren Daten der „Phipps-Colony“ des “Henry Phipps Institute”, Philadelphia vor. Die  Population dieser Laborkaninchen wurde ursprünglich aus einer Geschwisterverpaarung und folgenden Eltern-Kinder-Rückverpaarungen aufgebaut, (also reinerbige Inzuchtlinien), um Versuche zur Anfälligkeit für Tuberkulose durchzuführen. In einem Rückblick wurde festgestellt, dass im Zeitraum von 1931-1961 von insgesamt 1735 weiblichen Kaninchen 1382 (79,7%) starben, bevor sie ein Alter von 2,5 Jahre erreichten. Von den 353 Tieren, die älter wurden, wurde bei 86 Tieren (24,4%) ein  Uterustumor festgestellt.

Bild 11: Auszug aus Ingalls et al., 1964


Die Beobachtung, dass bei Tieren dieser Kolonie Gebärmutterkrebs auftrat, war ein Nebenprodukt der Begutachtung toter Tiere während der Autopsie, die durchgeführt wurde, um die Todesursachen festzustellen. In den 30 Jahren, in denen Versuche in dieser Kolonie an Kaninchen durchgeführt wurden, starben lediglich drei Tiere nachweislich durch Krebs - das sind 0,2%.

Als ein weiterer Befund dieser Arbeit wurde festgestellt, dass Tiere mit einer hohen Resistenz gegen Tuberkulose auch seltener Unterustumore aufwiesen.

Bild 12: Auszug aus Ingalls et al., 1964


Fazit: für jene, die sich mit Genetik und ihrem möglichen Einfluss auf die Entstehung bakterieller Infektionskrankheiten wie Tuberkulose bei Laborkaninchen beschäftigen, mag dieser Artikel interessant sein. Für den Beleg einer natürlichen Inzidenz von Kaninchen ist er ungeeignet. Interssant ist aber die Feststellung, dass über einen Zeitraum von 30 Jahren nur 3 Tiere tatsächlich auf Grund von Krebs starben.

Baba & Von Haam, 1972

Ohne nähere Angaben wurden von (Baba, et al., 1972) 117 Kaninchen für 30 Monate an der „Ohio State University“ auf die Entstehung von Uteruserkrankungen untersucht. Die Mikroskopie der Gebärmutter von 83 Kaninchen ergab 4% von Veränderungen, 3% örtlich begrenzte und 17% invasive Adenokarzinome sowie 1% Leiomyosarkom. Die meisten der tumortragenden Tiere waren zwischen 4-7 Jahre alt, ob die Tumore die Todesursache war, wurde nicht mitgeteilt.

Bild 13: Auszug aus Baba & Van Haam, 1972


Fazit: auf Grund fehlender Begleitinforamtionen ist der Artikel als Beleg für eine natürliche Inzidenz von Uterustumoren ungeeignet.

Elsinghorst et al., 1984

Von Elsinghorst und Kollegen wurde 1984 ein Artikel veröffentlicht, der den Vergleich von Uteruserkrankungen verschiedener Säugetiere zum Thema hatte. Heute werden solche Arbeiten als "Review" bezeichnet. Diese enthalten in der Regel keine eigenen Untersuchungen, sondern fassen viele Ertgebnisse aus früheren, verschiedenen Quellen zu einem Thema zusammen. Für Kaninchen wurde eine Übersicht (Bild 14) erstellt.

Bild 14: Auszug aus Elsinghort et al., 1984

Auf die Besonderheiten der jeweiligen Studien und das Zustandekommen der Zahlen in Bezug auf Fakten  wie Häufigkeit/Jahr und Rasse wird mit keinem Wort eingegangen, so dass der Eindruck entsteht, es wären ganz normale Häufigkeiten von Krebserkrankungen bei Kaninchen. Bis auf eine, wurde auf die Quellen in diesem Artikel eingegangen, so dass sich jeder ein eigenes Bild von der Aussagekraft dieser Tabelle machen kann.



Fazit: als Beleg für die natürliche Inzidenz von Uteruserkrankungen ist dieser Artikel nicht geeignet, weil er als "Review" nur die Daten aus früheren Artikeln wiedergibt, die ebenfalls dafür ungeeignet sind.

Rheker, 2001

In einer Dissertation von Rheker, 2001 wurde u. a. die Entwicklung des quantitativen Anteils der Heimtierpatienten am Patientenaufkommen der Klinik für kleine Haustiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover von 1990-1999 untersucht. Die Studie umfasste Diagnosen von insgesamt 1747 Tieren, "Tumore" wurden in dieser Arbeit von "Uterustumoren" und "Mammatumoren" abgegerenzt. Der Anteil der Tumore betrug 2,5%, der von Mammatumoren 0,3% und der von Uterustumoren 0,2%. Im Jahr 1990 wurde bei bei 2 von 214 Tieren ein Uterustumor diagnostiert, 1991 bei einem von 210 Tieren, 1992 ebenfalls bei einem Tier von insgesamt 202 Tieren und in den Jahren 1993-1999 kein einziger Fall eines Uterustumors. Allerdings muss angemerkt werden, dass es in dieser Arbeit keine Unterscheidung nach dem Geschlecht gab. Bei einer natürlichen, zufälligen Verteilung kann man von einem Verhältnis von 50/50 ausgehen, so dass die Inzidenz für Mammatumore bei weiblichen Kaninchen wahrscheinlich ca. 0,6% und für Uterustumore ca. 0,5% betrug.

Zusammenfassung

Aus der Literatur sind viele Zahlen für die Häufigkeit (Inzidenz) von Uterutumorerkranken bei Kaninchen bekannt. Für die, in diesem Artikel vorgestellten, handelt es sich um ältere Veröffentlichungen mit Auswertungen von Daten für Laborkaninchen. Die Autoren der frühesten Veröffentlichen in diesem Artikel sahen in Uterustumoren eine seltene Erkrankung. Später wurden Ergebnisse von Laborkaninchen veröffentlicht, in denen auf Grund genetischer Besonderheiten, Erkrankungen, Haltungsformen sowie diverser Versuche die Inzidenz immer mehr zunahm. In früheren Veröffentlichungen betrug die Inzidenz für Laborkaninchen, an Uterustumoren zu erkranken, weniger als 2%. Während die Zunahme von Krebserkrankungen im höheren Alter normal sind, nahmen sie aber in verschiedenen Tierversuchen und durch Vorerkrankungen von Elterntieren besonders stark zu. Ein wesentlich Grund dafür war auch, dass nur noch wenige, ältere Tiere zur Verfügung standen.

Tabbele 1: Ausgewählte Angaben aus der Literatur zur Inzidenz von Uterustumoren bei Laborkaninchen

 

Im Vergleich zum Risiko von 3,5-7%, durch eine Kastration zu sterben lag das Risiko für weibliche Kaninchen, an einem Uterustumor zu sterben in einem Zeitraum von 30 Jahren bei 0,2% (Ingalls et al., 1964).

Es existiert eine natürliche Altersabhängigkeit für die Entwicklung von Uterustumoren, die in Arbeiten, abhängig von den Vorerkrankungen und Genetik, unterschiedlich ermittelt wurde. Fakt ist, dass die Inzidenz mit dem Alter zunimmt, in welchem Maß auch immer. Das ist beim Menschen nicht anders.

Andere Artikel zum Thema:
Die Kastration von Kaninchen, Teil 1: Recht & Gesetz
Die Kastration von Kaninchen, Teil 2: HRS & Greene
Die Kastration von Kaninchen. Teil 3: Die Studien von Greene
Die Kastration von Kaninchen. Teil 4: Kastrationsfristen


Quellen:
  • Baba, N.; von Haam, E. (1972): Spontaneous Adenocarcinoma in Aged Rabbits. American Journal of  Pathology 68(3). 653-656
  • Burrows, H.; Boyland, E. (1938): Neoplasia in Rabbits following the Administration of 1:2:5:6-  Dibenzanthracene. Am J Cancer 32. 367-382
  • Burrows, H. (1940): Spontaneous uterine and mammary tumours in the rabbit. Journal of Pathology and Bacteriology 51(3). 385–390
  • Elsinghorst, Th. A. M.; Timmermans, H. J. F.; Hendriks, H. G. Ch. (1984): Comparative pathology of  endometrial carcinoma. Veterinary Quarterly 6(4). 200-208
  • Fuchs-Baumgartinger, A.; Heckermann, H.; Gruber, A.; Künzel, F. (2009): Ein Beitrag zur Art und Häufigkeit von Uterusveränderungen beim Kaninchen. Wien. Tieraerztl. Monatsschr. 25: 272–278
  • Greene, H. S. N. (1938): Toxemia of pregnancy in the rabbit: II. Etiological considerations with especial reference to hereditary factors. J Exp Med 67. 369-388
  • Greene, H. S. N. (1941): Uterine Adenomata in the Rabbit: III. Susceptibility as a Function of Constitutional Factors. J Exp Med 73(2). 273-292
  • Greene, H. S. N. (1959): Adenocarcinoma of the uterine fundus in the rabbit. Annals of the New York Academy of Sciences 75.1. 535-542
  • Greene, H. S. N.; Saxton, J. A. (1938): Uterine Adenomata in the Rabbit: I. Clinical, History, Pathology and Preliminary Transplantation Experiments. J Exp Med 67(5). 691-715
  • Ingalls, T. H.; Adams, W. M.; Lurie, M. B.; Ipsen, J. (1964): Natural history of adenocarcinoma of the uterus in the Phipps rabbit colony. Journal of the National Cancer Institute 33.5: 799-806
  • Künzel, F.; Grinninger, P.; Shibly, S.; Hassan, J.; Tichy, A.: Berghold, P.; Fuchs-Baumgartinger, A. (2015): Uterine disorders in 50 pet rabbits. J. Am. Anim. Hosp. Assoc. 51: 8–14
  • Lode, J.; Sassenburg, L.; Münnich, A.; Haider, W. (2003): Endometriale Hyperplasie beim Kaninchen - eine Darstellung von 8 Fällen. Kleintierpraxis 48: 203–206
  • Polson, C. J. (1927): Tumours of the rabbit. The Journal of Pathology 30.4: 603-614.
  • Saito, K.; Nakanishi, M.; Hasegawa, A. (2002): Uterine disorders diagnosed by ventrotomy in 47 rabbits. J. Vet. Med. Sci. 64: 495–497
  • Rheker, I. (2001): Untersuchungen zur Bedeutung der Heimtiere in der tierärztlichen Fortbildung in Bezug  zur Entwicklung des Heimtieranteils am Gesamtaufkommen der Patienten der Klinik für kleine Haustiere, der Klinik für Zier- und Wildvögel sowie der Klinik für Fischkrankheiten der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Tierärztl. Hochsch. Hannover. Diss.
  • Stilling, H. (1913): Über Uterustumoren bei Kaninchen. Virchows Arch. path. Anat. 214(3). 358-380
  • Streicher, M.; Hach, V. (2006): Das Uterus-Adenokarzinom des Kaninchens. Kleintierpraxis 51: 309–314
  • Walter, B., Poth, T., Böhmer, E., Braun, J. and Matis, U. 2010. Uterine disorders in 59 rabbits. Vet. Rec. 166: 230–233

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Artikel

Qualität und Quantität (2)