Ähnliche Betrachtungen wie in diesem Beitrag hatte ich bereits anhand der Quellenangaben von Tierschützern u. a. zu den "Schlappohren" angestellt, die seit einiger Zeit forciert mit "Qualzucht" in Verbindung gebracht werden (sollen). In einem weiteren Beitrag bin ich auf zum Teil falsche Behauptungen eingegangen, die von einer Tierärztin in einem Beitrag einer Tageszeitung aufgestellt wurden.
Für Kaninchen existiert eine Fülle von Arbeiten, die sich mit der Genetik und dem Gebiss des Kaninchen beschäftigen. Es sollte also ohne weiteres möglich sein, mindestens eine Arbeit zu finden, die die Behauptung bzw. Hypothese, dass aus bestimmten Kopfformen des Kaninchens bestimmte Krankheiten resultieren, durch eine methodisch-systematische Sammlung von Daten einer Untersuchung und ihre statistische Auswertung belegt. Dieser Beleg für eine Hypothese wird auch als "empirische Evidenz" bezeichnet. Für statistische Auswertungen existieren wissenschaftlich anerkannte, mathematische Methoden, die auch für Tierschützer, Tierärzte und Politiker gelten.
Zitate:
- "In der Klinik für Zoo- und Heimtiere des kantonalen Tierspitals in Zürich wurden in den Jahren 1978/79 mehr als 1000 Kaninchen vorgestellt. Davon waren ca. 90% Zwergkaninchen. Mehr als die Hälfte kamen wegen Erkrankungen als Folge von Anomalien der Schneide- oder Backenzähne in unsere Klinik.
- Da Stenosen des Tränenkanals als eine der häufigsten Erkrankungen des Tränenapparates beschrieben werden ... und die Ätiologie der Konjunktivitiden häufig unklar blieb, stellte sich die Frage, ob pathologische Veränderungen im Bereich der Zahnwurzeln Kompressionsstenosen des Tränenkanals bewirken und damit zu Tränenabflußstörungen führen könnten.
- Für die Untersuchungen standen uns 20 Zwergkaninchen im Alter von 6 Monaten bis 10 Jahren sowie 4 institutseigene Neuseeländerkaninchen zur Verfügung.
- Die pathologisch-anatomischen Untersuchungen zeigten, daß Epiphora beim Kaninchen nicht einheitlichen pathologischen Veränderungen zugeordnet werden können. Die von uns gefundenen herdförmigen eitrigen Entzündungen im Bereich des Tränenkanals waren bakteriellen Ursprungs. Kompressionsstenosen des Tränennasenganges aufgrund von pathologischen Prozessen im Bereich der Zahnwurzeln der lnzisivi, Prämolaren und Molaren wurden nicht beobachtet.
- Bei den 11 untersuchten Zwergkaninchen mit chronischem Augenausfluß konnten keine einheitlichen pathologischen Veränderungen gefunden werden. Eitrige Entzündungen im Bereich des Tränenkanals sowie eitrige Konjunktivitis waren die häufigsten Veränderungen. Bei einem Tier konnte Pasteurella multocida nachgewiesen werden. Ein Zusammenhang mit Zahnveränderungen bestand nicht."
Die Arbeit von Barandun & Palmer, 1982 wird sehr häufig zitiert, wenn es um Kopfformen von Kaninchen im Zusammenhang mit Erkrankungen und mit anatomischen Veränderungen des Tränenkanals (Stenose = Verengung) geht, die als tierschutzrelevant angesehen werden. Das ist deshalb bemerkenswert und rätselhaft, weil die Ergebnisse der Arbeit einen solchen Zusammenhang eben nicht erkennen ließen.
Zitate aus der Arbeit:
- "Als Versuchstiere standen jeweils 12 männliche bzw. weibliche Zwergkaninchen zur Verfügung, die … ohne Vorauswahl aus dem Handel bezogen wurden. Zu Versuchsbeginn waren die Kaninchen fünf Monate alt, ihre durchschnittliche Lebendmasse variierte zwischen 800 und 970g.
- Die Kaninchen zeigten während des ganzen Versuches insgesamt ein ungestörtes Allgemeinbefinden und eine gute körperliche Verfassung.
- Ein Kaninchen aus Gruppe III (Mischfutter + Heu) zeigte zu Versuchsende entzündliche Veränderungen am Unterkiefer mit Abszessbildung.
- Zwei Kaninchen verendeten kurz vor Ende des Versuchs plötzlich ohne vorherige Krankheitsanzeichen; in beiden Fällen erbrachte die Sektion der Tiere keine befriedigende ätiologische Klärung.
- Sowohl Wachstum als auch Abrieb der Schneidezähne veränderten sich signifikant bei Umstellung der Fütterung von Mischfutter (und Kalkstein als Nagematerial) auf Grünfutter.
- Trotz Verzicht auf jegliche nagefähige Ergänzung entwickelte keines der Tiere in den Gruppen I [konventionelles Alleinfutter, Anm. A. R.] und II [Mischfutter, Anm. A. R.] im Laufe des Versuchs (8 Monate) auffällige Überlängen der Schneidezähne (sog. "Elefantenzähne").
- Für die in einem Einzelfall beobachtete Überlänge der Schneidezähne konnte als Ursache ein mangelnder Abrieb ermittelt und ein übermäßiges Wachstum der Incisivi ausgeschlossen werden. Eine Umstellung der Fütterung auf Grünfutter nach Kürzen der Schneidezähne erbrachte eine Reduktion des Schneidezahnwachstums und verhinderte über Wochen das erneute Auftreten von "Elefantenzähnen"."
Die Quelle wird von mir erwähnt, weil es hier a) um Zwergkaninchen ging und b) um Einflüsse der Fütterung. Die erwähnte Überlänge der Schneidezähne würde heute gern einer zuchtbedingten Anomalie zugerechnet werden, wurde in diesem Fall aber erfolgreich mit Grünfutter "behandelt", das heißt, sie war erworben oder durch eine Fehlstellung verursacht. Solche können auch z. B. durch eitrige Prozesse im Kieferknochen entstehen, die zu einer ähnlichen Bild wie bei Brachygnathia superior führen können.
Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Auswertung der Patientendaten von 494 Hasenartigen und Nagern (davon 279 Kaninchen):
- von 279 Kaninchen waren 56 Tiere (20%) Zahnpatienten
- von 279 Kaninchen wiesen 4 Tiere (1,4%) eine Brachygnathia superior auf
- das Durchschnittsalter der Zahnpatienten betrug 3,4 Jahre
- "Die Zeitspanne vom ersten Auftreten der klinischen Symptome bis zur Einlieferung in die Klinik betrug durchschnittlich 5 Tage" (Böhmer & Köstlin, 1988)
- in der Arbeit wurde nicht zwischen Rassen bzw. Kopf- oder Ohrformen bei Kaninchen unterschieden
Kein Beleg für "Qualzuchten" bei Kaninchen. Das Auftreten der Brachygnathia superior bei 1,4% der insgesamt untersuchten Kaninchen (n=279) entspricht wahrscheinlich einer normalen Häufigkeit. Das Durchschnittsalter der Zahnpatienten und die Zeitspanne für die Feststellung von Symptomen spricht deutlich für überwiegend erworbene Zahnerkrankungen.
Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Anatomische Betrachtungen mittels "Referenzlinien", die es Tierärzten ermöglichen sollen, Aspekte von Zahnerkrankungen bei Kaninchen, Meerschweinchen und Chinchillas beurteilen und bewerten zu können.
Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Zitat: "Die maxilläre Brachygnathie findet sich bevorzugt bei Zwergrassen mit einem Gewicht von weniger als 1,5 kg sowie bei kleinwüchsigen Kaninchen mit Hängeohren (Chai 1970, Fox u. Crary 1971, Lindsey u. Fox 1994, Crossley u. Aiken 2004, Gorell u. Verhaert 2006). Durch die Züchtung besonders kleiner Kaninchenrassen, deren Tiere ein kurzes, rundes Köpfchen (Brachyzephalie) aufweisen und damit dem Kindchenschema entsprechen, verbreitete sich diese kongenitale Missbildung zusehends unter der Kaninchenpopulation." (Böhmer, 2011; S. 109).Wie in dem Beitrag zur Herkunft des Wissens über die Brachygnathie erläutert, beruhten die Informationen der ersten drei Quellen (Chai 1970, Fox u. Crary 1971, Lindsey u. Fox 1994) auf Ergebnissen von mittelgroßen Kaninchen (≥ 3,5kg) ohne Hängeohren aus Inzuchtlinien des JAX-Institutes. Die Angabe dieser drei Quellen als Beleg für die zitierte Behauptung ist also irreführend.Eine "Brachyzephalie" wurde für Kaninchen zudem bisher nicht nachgewiesen (siehe dazu auch Nachtsheim, 1937; Nachtsheim 1959 (Tabelle 4, S. 572: "Erbleiden bei Mensch und Säugetier"); Fox, 1994 (Tabelle V, S. 11-15: "Recognized Gene Mutations in the Rabbit (Oryctolagus cuniculus))".
Crossley u. Aiken, 2004, waren die Autoren des Kapitels "Small Mammal Dentistry" aus dem Buch "Ferrets, Rabbits and Rodents - Clinical Medicine and Surgery", welches mir in der neueren, 3. Auflage von 2012 vorliegt. Dort wurde das gleichnamige Kapitel von Capello & Lennox verfasst, in dem es u. a. heißt: "Four different primary causes have been reported in the rabbit: congenital and developmental abnormalities, traumatic injuries, abnormal wear, and metabolic bone disease. Congenital jaw mismatch may be caused by prognathism of the mandible or brachygnathism of the maxilla.(13,32) This anatomic condition is common in purebred dwarf rabbits weighing less than 1 kg and in lop rabbits. Traumatic injuries often cause fracture of the incisors (13); if the apex has been damaged, it may result in malocclusion. Fractures of the incisors that expose the pulp can lead to pulpitis and abscesses. The most important and most frequent cause of dental disease is related to improper nutrition and abnormal wear.(13)". Für die Behauptung, dass die Proganie des Unterkiefers oder die Brachygnathie des Oberkiefers bei Zwergkaninchen mit weniger als 1 kg Körpergewicht oder in Widderkaninchen häufig verbreitet wäre, wird kein Beleg angegeben.
Die Quellenangabe (13) bezieht sich auf ein Buch der beiden Autoren, welches mir nicht vorliegt. Bei der Angabe (32) handelt es sich um einen Artikel von Crossley, 2003. Dort wird folgendes behauptet: "The Incidence of incisor malocclusion is higher in miniature breeds, particularly dwarf-lops. ... Although pure jaw length mismatch is the primary cause of incisor malocclusion that is consistently present from early in life, a Change from normal incisor occlusion to rnalocclusion during growth or later in life indicates an alternative etiology. The higher incidence of this in dwarf breeds suggests that a uniform reduction in upper and lower jaw lengths raises the likelihood of the development of a secondary incisor malocolusion.". Obwohl für viele Aussagen in dem Artikel Quellenverweise geliefert werden (insgesamt 72), ist das genau für die zitierten nicht der Fall.
Die letzte Quellenangabe in dem Buch von Böhmer, 2011 bezieht sich auf das Kapitel 14 "Zahnerkrankungen bei Hasenartigen (Lagomorpha) und Nagetieren (Rodentia)" von Gorell und Verhaert, 2006 aus dem Buch "Zahnmedizin bei Klein- und Heimtieren". Dort wird u. a. folgendes behauptet: "Primäres zu starkes Wachstum der Inzisivi kommt bevorzugt bei jungen Tieren vor und kann regelmäßig bei Zwergkaninchen beobachtet werden.". Ein Beleg für die Behauptung wird nicht geliefert.Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Behauptungen von Böhmer, 2011 mit drei gelieferten Belegen nicht übereinstimmen, die Behauptung einer Brachyzephalie bei Kaninchen bisher nicht belegt wurde und das die anderen beiden Quellen ebenfalls nur Behauptungen ohne Beleg lieferten.
Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Ein Buch mit zum Teil sehr widersprüchlichen Aussagen vor allem in Bezug auf die Fütterung von Hauskaninchen. Hinsichtlich der Zahnerkrankungen in Zusammenhang mit Zuchtformen werden folgende Darstellungen geliefert:
Zitate:
- "Abbildung 11: Zwergkaninchen mit angeborener Oberkiefervorkürzung ("Kindchenschema") und sekundärem Schneidezahnüberwuchs"
- "Sind die Schneidezähne bei jungen Kaninchen (4-12 Monate alt) extrem lang und wachsen sie ohne Kontakt und gegenseitigen Abrieb aneinander vorbei, liegt meist ein genetischer Defekt vor. Verantwortlich hierfür ist ein falsch definiertes Zuchtziel; d. h. die Zucht von Kaninchen mit einem möglichst kleinen, runden Köpfchen (sog. „Kindchen-Schema")."
- "Abbildung 317: Angeborene Verkürzung des Oberkiefers („Kindchenschema") mit sekundärem Schneidezahnüberwuchs."
- "Kapitel: Schneidezahnüberwuchs bei kurzköpfigen Kaninchen (Brachygnathie), S. 245"
Quellenangaben für die Behauptungen fehlen komplett.
Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Artikel über die geometrisch-morphometrische Analyse von radiologischen Schädelbildern von Wild- und Hauskaninchen, um die intraspezifische Variation der kraniomandibulären Morphologie zu quantifizieren (vereinfacht: Variation der Kieferform bei Kaninchen). Für die Untersuchung wurden 12 Hauskaninchens mit Stehohren ausgesucht, die keiner speziellen Rasse angehörten, um extreme Phänotypen, die für bestimmte Rassen charakteristisch sind, zu vermeiden. Zitate:
- "In accordance with the breeding for “cuteness” (concept of baby schema, “Kindchenschema”), the present analysis reveals that the skull shape is generally more quadratic in domestic rabbits, whereas wild rabbits tend to have a long and flat skull.". (Das Ergebnis war dann aber doch ein anderes ...)
- "Interestingly, the dentition itself forms a relatively unalterable unit that appears not to be essentially affected by the breeding for a shorter skull (“cuteness”) or the evolution towards a shorter skull. This is based on the fact that despite the significant difference in the shape of the cranium between wild and domestic rabbits, the morphological configuration of the teeth themselves (represented by LM 2–11) is very similar across all samples.". Diese Aussage übersetze ich, damit sie auch von jedem verstanden werden kann: "Interessanterweise bildet das Gebiss selbst eine relativ unveränderliche Einheit, die offenbar nicht wesentlich durch die Züchtung für einen kürzeren Schädel ("Niedlichkeit") oder die Entwicklung hin zu einem kürzeren Schädel beeinflusst wird. Dies beruht auf der Tatsache, dass trotz des signifikanten Unterschieds in der Form des Schädels zwischen Wild- und Hauskaninchen die morphologische Konfiguration der Zähne selbst (dargestellt durch LM2-11) in allen Proben sehr ähnlich ist.".
- "In contrast to wild animals, most pet and breeding rabbits predominantly crush “unnatural” food between their teeth (pellets, carrots and other root vegetables) which is accompanied with a much higher axial strain on the (pre-)molars and an insufficient tooth wear (higher clinical crowns) combined with a tendency to retrograde tooth elongation."
- "In rabbits, hay and pellets resulted in greater jaw-muscle activity and higher mandibular strain, compared to the ingestion of carrots [80]. Hay seems to be the most mechanically challenging food as it is tougher and stiffer than pellets and carrots [70]. It requires more chews per gram to be processed which results in longer chewing bouts compared to pellets and carrots. This means that over a longer period of time the teeth are predominantly axially loaded due to the elevated bite force. If we take into consideration that hay with a lot of hard stems has reduced nutritive properties and potential limits on digestibility, then rabbits eating predominantly hay need to consume large quantities to meet basic metabolic and nutritional demands [70]. All of this promotes retrograde tooth elongation and incursion of the apices into the adjacent bone (most common finding in malocclusions) [1]. Furthermore, hay also promotes periodontal diseases (impacted food) and, therefore is not the best nutrition for rabbits [31].".
Der Artikel ist interessant, weil er die Evolution des Kaninchens in Zusammenhang mit der Nahrung und dem Gebiss beschreibt. Wichtig ist aus meiner Sicht die Feststellung, dass das Gebiss des Kaninchens (Wild-, Haustier) unabhängig von einer Kopfform eine relativ unveränderliche Einheit bildet. Diese wird nicht durch eine Zucht auf auf kürzere Kopfformen beeinflusst. Die künstliche Selektion in der Zucht (ohne Beteiligung von Genmutationen) führt bei Kaninchen zu proportionalen Veränderungen (die von Bartels & Wegner, 1998 in Anführungszeichen gesetzt wurde). Oder anders formuliert: die Zähne haben auch im Kopf von Zwergkaninchen Platz. Die Co-Autorin widerspricht in diesem Artikel somit ihren eigenen, unbelegten Darstellungen in Böhmer, 2014 (siehe dort). Außerdem wird nun Heu nicht mehr als optimal für Ernährung von Kaninchen angesehen - sowohl aus Sicht der Versorgung mit Nährstoffen als auch der Zahngesundheit. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Arbeit von Böhmer & Böhmer, 2017 werden von Tierschützern und Tierärzten bisher weitgehend ignoriert.
Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Zitat: "In einer Praxisstudie (Gabriel (2000) wurden nur bei 31,5 Prozent der erstuntersuchten Zwergkaninchen keine abnormen Befunde festgestellt. Dagegen wiesen 46,3 Prozent mehr oder weniger deutliche Befunde einer unphysiologischen Abnutzung der Zähne auf, was deutlich mit der ermittelten Rate der Fütterungsfehler korreliert (72,2%): Zwar boten praktisch alle Tierhalter Heu als Grundfutter an. Durch übermäßige Gabe von hochkalorischem (Leckerchen) und unphysiologischem (Körner) Mastfutter kommt es aber leider regelmäßig zu krassen Fehlernährungen, die nicht nur zu Obesitas, sondern auch zu sekundärem Fasermangel mit gastrointestinalen Instabilitäten und Indigestionen und vor allem Zahnüberwachstum und Malokklusionen führen."Ergebnisse aus einer unveröffentlichten Praxisstudie, in der nicht nur Patienten untersucht, sondern auch die Fütterung berücksichtigt wurde. Das Ergebnis war deutlich und unabhängig von Zwerg- oder Kopfformen. Zahn- bzw. Gebisserkrankungen bei Kaninchen sind hauptsächlich erworben und nicht Ergebnis einer Kopfform oder eines Kindchenschemas.
Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
- "Es wurden 80 als Heimtiere gehaltene Kaninchen untersucht, die zwischen Mai 1998 und Dezember 1999 in der ”Heimtiersprechstunde” der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere des Fachbereichs Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin vor allem wegen mangelhafter Futteraufnahme oder Inappetenz, aber auch Asymmetrien im Kopfbereich oder Zahnüberwachstum vorgestellt wurden. Es handelte sich dabei um Tiere verschiedener Rassen und unterschiedlichsten Alters.""Insgesamt befanden sich unter den 80 untersuchten Tieren 22 (27,5 %) Zwergkaninchen, 38 (47,5 %) Hauskaninchen, 15 (18,8 %) Widderkaninchen, drei (3,8%) Löwenkopfkaninchen, ein (1,3%) Deutscher Riese sowie ein (1,3 %) Wildkaninchen."
- "Die Vermutung, daß rundere Kopfformen, wie sie bei Zwerg- und Widderkaninchen rassetypisch sind, als Praedisposition für Zahn- und Kiefererkrankungen anzusehen sind, wie von BROWN (1992) DIVERS (1997), TURNER (1997) und CROSSLEY (1997b) geäußert, kann damit vorliegend nicht bestätigt werden. "
- "Zusammenfassung: ... Ziel war es zu überprüfen, ob Kaninchen, die unter Zahn- und Kiefererkrankungen leiden, einen besonders kurzen oder gerundeten Unterkiefer aufweisen bzw. im Umkehrschluß zu prüfen, ob Kaninchen mit einer bestimmten Form oder Länge der Mandibula praedisponiert sind für die genannten Veränderungen. Im Ergebnis wurde deutlich, daß sich anhand der Kiefervermessungen keinerlei Aussagen zu der jeweiligen Erkrankung des betroffenen Tieres machen lassen, da die Meßwerte für die unterschiedlichen Behandlungsgruppen insgesamt und auch nach Aufteilung in Rassezugehörigkeit sehr eng beieinander lagen...."
Zwar waren die Zwergkaninchen häufiger an Zahnkrankheiten beteiligt, aber die Vermessungen ergaben keinen Zusammenhang mit Kiefer- bzw. Kopfformen. In dieser Arbeit wurde auch darauf hingewiesen, dass nur eine geringe Anzahl an Patienten zur Verfügung stand (n=80), die zudem noch vorselektiert war. Deshalb war z. B. keine Verallgemeinerung des Faktes möglich, dass Rammler in dieser Studie deutlich häufiger an Zahnkrankheiten litten. Glöckner verwies in diesem Zusammenhang auf drei weitere Studien, die etwas ähnliches festgestellt hatten.Glöckner stellte zudem fest, dass alle Tiere ausreichend mit Calcium versorgt wurden. Leider wurde bei den Tieren keine Knochendichte bestimmt und mit der körperlichen Integrität (kastriert/intakt) verglichen. Es ist zu vermuten, dass trotz ausreichender Calciumversorgung die Knochendichte bei Rammlern niedriger war, weil diese (fast) grundsätzlich kastriert werden, was sich auf den Hormon- und somit auch Calciumstoffwechsel auswirkt..Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Zitate:
- "The main body of the thesis is an in-depth study of the radiological and morphological features of 172 prepared skulls and 315 skull radiographs of pet rabbits. A comparison is made between the prepared skulls of pet rabbits and the collection of rabbit skulls that is held at the Natural History Museum in London. In addition to the examination of skulls and radiographs, gender and breed details of 1254 pet rabbits presented for veterinary treatment are analysed. Of these rabbits, 465 required dental treatment.
- Genetic predisposition is cited as a cause of acquired dental diseases in pet rabbits, which is often attributed to head shape. For example, Meredith and Crossley (2002) say that 'the incidence of dental disease is low in rabbits with conformation similar to those in the wild but approaches 100% in extreme dwarf and lop breeds', although they do not cite a source of this information. This view is not supported by the findings of this thesis. Data analysis of 1254 case records of pet rabbits requiring and not requiring dental treatment showed no significant relationship between Dwarf breeds and treatment for dental disease (Graph 32). No breed incidence was found in this analysis. Rabbits with a head shape similar to wild rabbits (Dutch or English) showed a similar incidence of dental disease to breeds with a head shape that is different from wild rabbits (Dwarf Lop, Minilop, Netherland Dwarf). See Graph 31.
- Genetic predisposition is an important factor. One study showed that in half the human population, variation in bone density could be attributed to a single gene locus (Morrison, Cheng Qi and others, 1994). So, although it is possible that genetic predisposition could explain the gender difference in susceptibility to dental disease in rabbits, it could also to be linked with hormonal differences between male and female rabbits. Oestrogen is known to enhance calcium absorption and this may explain why female rabbits are apparently less susceptible to PSADD than males. In laboratory rabbits, it has been shown that ovariectomy results in loss of mandibular bone (Cao and others, 2001) so it is also possible that ovariectomising female pet rabbits could have a deleterious effect on the teeth of rabbits that are on a low calcium diet.
- This thesis shows that root elongation is an early feature of PSADD. It was present in all the skulls and radiographs of affected rabbits suggesting that it is the first change to take place. Therefore it is illogical to believe that coronal reduction can prevent root elongation. Instead, it removes the occlusal surfaces of the teeth and impairs the ability to chew food, especially fibrous food. It could also expose innervated dentine and pulp cavities if the procedure is performed on healthy teeth or those rabbits in the initial stages of PSADD. Generalised coronal reduction is at best, unnecessary and at worst, detrimental."
In ihrer Thesis zeigte Harcourt-Brown, 2006 an vielen Beispielen, vor allem der Arbeiten von David Crossley, Unstimmigkeiten früherer Darstellungen und kritisiert Behauptungen ohne Belege. Frances Harcourt-Brown belegte anhand einer Datenanalyse von 1254 Kaninchenschädeln (Wildkaninchen und Haustiere verschiedener Rassen), dass es keinen Zusammenhang zwischen der Kopfform und Zahnkrankheiten gibt. Sie sah vorrangig Ursachen für Zahnerkrankungen, die sie als "progressive syndrome of acquired dental disease (PSADD)" bezeichnete (deutsch: "progressives Syndrom einer erworbenen Zahnkrankheit", also eine fortschreitende Zahnerkrankung, die nicht genetisch bedingt ist und durch das gemeinsame Auftreten bestimmter, charakteristischer Symptome charakterisiert ist). Die Verlängerung (Elongation) von Zahnwurzeln wurde grundsätzlich bei allen zahnkranken Tieren in einem frühen Alter festgestellt. Neuerdings wird diese Elongation auch als "retrogrades Zahnwachstum" bezeichnet. Eine Osteopenie der Schädelknochen (verringerte Knochendichte) wurde bei kranken Tieren diagnostiziert, die sowohl visuell als auch röntgenologisch offensichtlich war. Es kam zu einem fortschreitenden Verlust des Alveolarknochens und zur Dehnung einiger oder aller Zahnwurzeln. Es gab deutliche Veränderungen in der Struktur des Zahngewebes, einschließlich einer Verringerung der Schmelzbildung. Dies alles deute auf eine metabolische Ursache hin, wie F. Harcourt-Brown feststellte. Die einzig genetische Komponente meinte sie insofern als möglich zu erkennen, dass rasseunabhängig Rammler häufiger von Zahnerkrankungen betroffen waren als Weibchen. Hier kommt wieder meine Vermutung ins Spiel, dass Rammler deshalb häufiger betroffen sind, weil sie in der Regel kastriert werden, was bei Weibchen (noch) nicht der Fall ist. Daneben wird eine Osteopenie wird vor allem durch eine falsche Ernährung hervorgerufen, weshalb auch der Titel der Disseration mit "Metabolic bone disease ..." beginnt (deutsch: stoffwechselbedingte Knochererkrankung).Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Zitat: "Bei den im Zoofachhandel angebotenen und fälschlich als "Zwerghäschen" bezeichneten Kaninchen handelt es sich zumeist um Kreuzungen bzw. um Tiere, die dem Rassestandard nicht entsprechen (Abb. 2). Wie bei allen derartigen Zuchten wehrt sich die Natur gegen die Verzwergung, indem ein Teil der Jungtiere wieder mit normalen Körpermaßen geboren wird. ... Genetisch angelegte und alterungsbedingte Verkürzungen des Oberkiefers führen zu veränderten Krümmungsradien der Schneidezähne. Während sich die oberen Inzisivi nach innen krümmen, wachsen die unteren aus der Lippenspalte heraus (Abb. 3). Auch im Bereich der Backenzähne kommt es zu Stellungsanomalien. Eine Zusammenfassung dieser Problematik findet sich bei Böhmer und Köstlin (1988)."Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen. (siehe auch bei Böhmer & Köstlin, 1988)
Zitat:"Mandibular prognathism is inherited as an autosomal recessive (mp/mp) trait with incomplete penetrance (81%). Affected animals have reduced skull and maxillary diastema length, without significant deviation from the normal length of mandibles. Hereditary mandibular prognathism (brachygnatia superior, hypognatia) that leads to incisor malocclusion has been well described (Lindsey & Fox 1994). In affected rabbits, malocclusion of incisors usually first appears after the third week of life. Initially, there is an edge to edge bite with blunting of incisival cutting edges. Later, positioning of the lower incisor anterior to the uppers occurs ... . However, there have been no recent genetic studies in pet dwarf rabbit breeds to investigate the effect of this gene on dental disease development. There are also no differences between the prevalence of dental disease in dwarf and other rabbit breeds according to Harcourt-Brown (2006)."Ansonsten Betrachtungen zu verschiedener Theorien der Calcium- und Phosphorversorgung von Kaninchen in Zusammenhang mit Zahnerkrankungen.Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Zitat: "Im Rahmen dieser Studie wurden Röntgen- und CT-Aufnahmen von 30 zufällig aus einem Patientengut von 98 ausgewählten Tieren ausgewertet. Es handelte sich ausschließlich um privat gehaltene Zwergkaninchen."Vergleich bildgebender Verfahren - Röntgen vs. Computertomographie.Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
Zitate:
- "Insgesamt wurden 14 männliche und 18 weibliche Zuchtkaninchen zehn verschiedener Rassen, sowie 235 daraus gezogene Jungtiere, reinrassig oder Kreuzungen, in die Studie einbezogen. Zwischen zwei dieser Jungtiere erfolgte außerdem, als diese ausgewachsen waren, eine Anpaarung mit zwölf Nachkommen. Eine Übersicht über die Abstammung aller Jungtiere und die Anzahl an Kaninchen bis zum Zeitpunkt des Absetzens (n= 232) und bis zum Erreichen des Adultstatus (n= 209) zeigt Tabelle 1A im Anhang.
- Zwergrassen und kleine Rassen: Holländische Zwergwidder, Deutsche Kleinwidder, Kleinsilber; Mittelgroße Rassen: Blaue Wiener, Rote Neuseeländer, Thüringer, Rheinische Schecken, Weißgrannen, ZiKa; Große Rassen: Deutsche Riesenschecken
- Fast alle Kaninchen, die in dieser Untersuchung von einem Aufbiss oder einer Brachygnathia superior betroffen waren, gehörten einer mittelgroßen bis großen Rasse an (Größe b). So kann belegt werden, dass diese pathologischen Zustände nicht an Zwergrassen mit gedrungenen Schädelformen gebunden sind (HARCOURT-BROWN 1997, SCHWEIGART 1998, SCHREYER 2008).
- Aufgrund der geringeren Stichprobenzahl lassen sich die vorliegenden Ergebnisse nicht statistisch signifikant absichern, doch waren in der Tendenz vor allem Kaninchen der Gewichtsklasse > 3,75 kg von Zahnveränderungen betroffen."
In Bezug auf statistische Methoden wurde in einem Vergleich folgendes festgstellt: "Im Patientengut von JEKL et al. (2008) trat in 17 (21,25 %) Fällen eine Brachygnathia auf im Vergleich zu neun (8,2 %) Tieren der aktuellen Studie sowie drei (2,7 %) weiteren Kaninchen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung in Allgemeinanästhesie einen Aufbiss hatten. Die unterschiedliche Prävalenz dieser Befunde in den beiden Untersuchungen kann damit erklärt werden, dass die Kaninchen in der vorliegenden Studie eine Zufallsstichprobe darstellen, während bei JEKL et al. (2008) die Tiere aufgrund von Symptomen vorstellig geworden waren, die mit Zahn- und Kieferveränderungen assoziiert sind.". Wenn ich diesen Fakt erkläre, wollen ihn Tierschützerinnen nie verstehen - vielleicht hilft dann diese Erklärung aus einer Dissertation. Zur Stichprobengröße (n = 232 bzw. n = 209) und statistischer Signifikanz siehe vierter Stichpunkt.Keine Evidenz für Behauptungen für Zahnerkrankungen im Zusammenhang mit Kopfformen.
- "Für die Versuche standen 6 Farm-Chinchillas, 6 Ratten (Wistar) sowie 12 Kaninchen (Weiße Neuseeländer, von denen 6 Tiere überlange Schneidezähne im Oberkiefer aufwiesen) zur Verfügung.
- Neben pelletierten Alleinfuttermitteln [pell. AF], die überwiegend auf der Basis von Grünmehl hergestellt waren, befand sich auch ein sogenanntes "Buntfutter" [MF], das überwiegend aus nativen Komponenten wie Getreide, Trockenschnitzeln und Johannisbrot bestand, im Angebot (s. Abb. 2). Zum Vergleich erhielten die Kaninchen und Chinchillas auch Grundfuttermittel (Heu, Möhren), während bei den Ratten statt Heu ein Feuchtalleinfutterfür Katzen [AF f. Ktz.] zum Vergleich geprüft wurde.
- So zeigten sich sowohl an den oberen als auch unteren Schneidezähnen die höchsten Wachstums~ als auch Abriebsraten bei ausschließlichem Angebot von Heu oder Möhren, während die entsprechenden Werte bei Fütterung von pelletiertem Alleinfutter oder Mischfutter auf der Basis nativer Komponenten allgemein niedriger waren. Ursache hierfür ist vermutlich das unterschiedliche Futteraufnahmeverhalten bei Angebot dieser Futtermittel. Während die Aufnahme und Zerkleinerung von Möhren und Heu in erster Linie mit den Schneidezähnen erfolgt, werden Pellets und native Komponenten, wie Getreidekörner, mit der Zunge über das Diastema auf die Backenzähne befördert, wo sie vermahlen werden
- Bei Vergleich der Wachstums- und Abriebsraten der Schneidezähne von Kaninchen, die "Elefantenzähne" aufwiesen mit Tieren, die sich durch übliche Zahnlängenentwicklungen auszeichneten, fiel zunächst auf, daß nicht die Wachstumsraten (wie bisher immer angenommen), sondern vielmehr die jeweiligen Abriebsraten differierten (s. Abb. 7). Auch hier waren wiederum - entsprechend Untersuchungen von BUCHER (1994) - fütterungsbedingte Einflüsse zu beobachten. Das Angebot von Grundfutter (Heu, Möhren) führte im Vergleich zu den bei Fütterung von Kraftfutter (pelletiertes Alleinfutter, Mischfutter auf der Basis nativer Komponenten) ermittelten Werten zu forcierten Wachstums und Abriebsraten.
- Zusammenfassung, Punkt 4. Störungen der Zahngesundheit in Form von "Elefantenzähnen" sind im Vergleich zu Tieren mit üblicher Zahnlängenentwicklung weniger auf ein übermäßiges Wachstum, als vielmehr auf einen reduzierten Abrieb zurückzuführen (infolge Fehlstellungen nutzen sich die Zähne nicht genügend aneinander ab). Das Angebot von Grundfutter hat bei klinisch manifesten Formen allerdings nur einen bescheidenen Effekt."
Nachtsheim, H. 1959. Probleme vergleichender Genetik bei Säugern. Naturwissenschaften, 46(20), 565-573.